Von der Odyssee einer Kinderpflegerin

„Elektronikerin oder Verwaltungsfachangestellte? Ich schwankte, fand aber beides gleich spannend“, erzählt Michaela Zöh. „Der psychologische Dienst hat mir schließlich bei der Entscheidungsfindung geholfen. Ich sei für die freie Wirtschaft nicht taff genug, hieß es dort, und das stimmt leider.“ Am letzten Tag der EBA-Maßnahme hat sich die junge Frau schließlich für die Umschulung zur Verwaltungsfachangestellten im BFW entschieden. Dabei hatte sie zuvor etwas ganz Anderes gemacht.

„Ich war 16 Jahre Kinderpflegerin im Kindergarten und habe einfach nicht mehr abschalten können“, beginnt Michaela Zöh ihre Odyssee zu erzählen. „Burnout“ hieß die Diagnose für die damals 35-Jährige. Sie selbst hatte den Burnout nicht bemerkt, erst als sie beinahe von einem Auto erfasst worden wäre. Das war im Oktober 2015. Daraufhin folgte für Frau Zöh ein vierwöchiger Aufenthalt in einer Tagesklinik, in der die Ärzte ihre berufliche und private Situation genauer betrachteten. Gemeinsam kamen sie zu dem Ergebnis, dass sie eine andere Tätigkeit ausüben müsse, woraufhin sie bei der Rentenversicherung Bund eine Umschulung beantragte. Doch diese wurde dreimal abgelehnt. Erst nach einer medizinischen Reha wendete sich doch noch das Blatt, und sie bekam eine Berufsorientierung im BFW in Kirchseeon genehmigt. Frau Zöh absolvierte daraufhin erst die Maßnahme EBA und einen RVL bevor im Juli 2017 ihr Hauptkurs begann.

„Die Ausbildung war intensiv und sehr interessant“, sagt sie. Der Ganztagesunterricht war schon eine Herausforderung für sie. Auch neue Kontakte zu knüpfen und sich in die Gruppe zu integrieren war für die eher schüchterne Person zunächst nicht einfach, aber das klappte nach und nach ebenso gut, denn in dem dreimonatigen RVL hatte sie bereits einige ihrer späteren Klassenkameraden kennenlernen können.

„Besonders gefiel mir, die Vielfalt der Berufe an einem Ort vorzufinden, auch in der Klasse selbst. Und dass auf persönliche Bedürfnisse eingegangen wurde – selbst beim Essen in der Mensa“, erzählt sie enthusiastisch von ihrer Zeit im BFW. „Der Unterricht war sehr gut. Die Ausbilder sind sehr erfahren und konnten viel aus der Berufspraxis erzählen. Auch, dass jederzeit Nachfragen möglich waren und komplizierte Sachverhalte mit anderen Worten erklärt wurden, half mir.“ Die medizinischen und psychologischen Angebote schätzte und nutze sie ebenso gern. Wie ging es dann als fertig ausgebildete Verwaltungsfachangestellte für sie weiter?

Frau Zöh wandte sich wieder an die Landeshauptstadt München, ihrem bisherigen Arbeitgeber, und ließ sich drei interne Stellenangebote geben, denn sie hatte ihren Arbeitsvertrag als Kinderpflegerin bei der Landeshauptstadt zuvor nur stilllegen lassen. Sie hatte bei allen drei Angeboten Vorstellungsgespräche und konnte bei zwei Stellen sogar „reinschnuppern“. Schließlich entschied sie sich für eine Stelle bei der Gewerbesteuerveranlagung, weil diese mit weniger persönlichem Kundenkontakt verbunden ist, und trat sie zum 01.09.2019 an.

„Wir sind hier in der Stadtkämmerei-Gewerbesteuer circa 80 Kollegen, die sich mit Gewerbesteuer, Hundesteuer, Zweitwohnungssteuer und Grundsteuer und der jeweiligen Haftung beschäftigen“, erklärt sie. „Ich bin in der Gewerbesteuer, Buchstaben DEU bis EN, und veranlage die Gewerbesteuer nach den Messbescheiden der Finanzämter. Ich kümmere mich um die Aktenpflege und arbeite mit der Stadtkasse, dem Finanzamt und Steuerberatern zusammen, aber korrespondiere mit den Kunden nur per Telefon oder Mail.“ Sie hat gut zu tun, sagt sie, und ein bisschen „Detektiv spielen“ sei auch dabei. „Mir geht es in meiner Abteilung sehr gut, ich fühle mich sehr wohl. Ich habe super Kollegen und gehe wieder mit Freude in die Arbeit.“ Dort sitzt sie heute sogar als Beisitzerin im Personalrat.

Und wie geht sie heute mit ihrem Burnout um? „Ich habe gelernt, dass niemand stirbt, wenn eine Akte einmal liegenbleibt.“ Sie hat mit ihren Kollegen eine klare Prioritätenliste, an die sie sich hält. Und wenn Dienstschluss ist, kann sie heute per Knopfdruck mental abschalten und entspannt nach Hause gehen.

„Während meiner Odyssee zuvor gab es Momente, in denen ich wenig Hoffnung auf eine neue Perspektive hatte“, gesteht sie. Insofern seien ihre Erwartungen, die sie an ihre Umschulung im BFW geknüpft hatte, weit übertroffen worden. „Heute kann ich jedem sagen: Vertraue auf Deine innere Kraft. Vertraue Dir und nimm die Möglichkeit an.“ Natürlich sei es eine Herausforderung, sich auf Neues einzulassen, aber es sei der richtige Weg. „Jeder solle jede Hilfe nutzen, die geboten wird, denn wer sie in Anspruch nimmt, ist nicht schwach, sondern stark und schafft alles.“

Die nächste Ausbildung zur/zum Verwaltungsangestellte/n beginnt am 06. Juli 2023.

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