Vom LKW-Fahrer zum Industrieelektriker

„Möchten Sie nicht bei uns anfangen?“, wurde Gheorghe Gabriel Comsa (49) in seiner dritten Praktikumswoche bei Ami Elektronik GmbH & Co. Produktions KG gefragt. Natürlich nahm Gheorghe das Arbeitsangebot an. Er ist zwar noch nicht ganz fertig mit seiner Ausbildung zum Industrieelektriker für Geräte und Systeme, genießt jedoch bereits das Vertrauen seines künftigen Arbeitgebers.

Die Ami Elektronik (AMI) mit Sitz Puchheim ist ein hochinnovatives Unternehmen im Bereich der Sensortechnik mit feinmechanischen, optischen und elektronischen Produkten. Die Produktpalette reicht von inkrementalen Drehgebern über Lineargeber, Antrieben, Komponenten sowie Industrie-PC. Alle Komponenten dienen in unzähligen Anwendungen als optimale Basis zur sicheren und wirtschaftlichen Automatisierung industrieller Prozesse. Dabei sei die AMI nur ein kleiner Betrieb mit gut 20 Mitarbeitern, sagt Gheorghe. Ihre Automatisierungslösungen vertreibe sie aber weltweit.

Zu seinen künftigen Aufgaben dort gehört die Bearbeitung und Montage von elektromechanischen Baugruppen. „Alles, was mit kleinen Bauteilen zu tun hat“, fasst der angehende Industrie-Elektriker kurzum zusammen. Dabei hatte Gheorghe keinerlei Wissen oder Vorkenntnisse über Elektronik bevor er seine Ausbildung am Berufsförderungswerk (BFW) München begann.

„Ich hatte null Ahnung von Elektronik“, gesteht Gheorghe verschmitzt lachend und muss innerlich den Kopf schütteln, wenn er an die ersten Ausbildungstage im BFW zurückdenkt. Denn Gheorghe kommt gebürtig aus Rumänien, wo er Geographie studierte. 2010 brach er mit Frau und zwei Kindern in eine ungewisse, aber vielversprechende Zukunft auf. „Meine Kinder sollten ein besseres Leben haben“, antwortet Gheorghe Gabriel auf die Frage, warum er sich für die Auswanderung nach Deutschland entschied.

Bis Ende 2019 arbeitete er als LKW-Fahrer, doch dann erlitt er einen schweren Leistenbruch, so dass ihm der Arzt riet, beruflich etwas Anderes zu machen. Als sein Arbeitgeber insolvent ging, folgte ein Jahr Arbeitslosigkeit. Er startete eine Ausbildung zum Industrie-Kaufmann, die online angeboten wurde, doch damit kam er nicht klar und musste nach ein paar Monaten aufgeben. Die Agentur für Arbeit schickte ihn daraufhin zum BFW, wo er im Juli 2021 die Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme (MPI)* begann.

Auf Empfehlung der Ausbildung und mit Genehmigung des Leistungsträgers konnte Gheorghe nach fünf Monaten noch einmal umsatteln und wechselte im Dezember 2021 zur Ausbildung zum Industrieelektriker für Geräte und Systeme (IEG). Die Abschlussprüfung vor der Industrie- und Handelskammer (IHK) ist im Februar 2023, im Anschluss kann der Familienvater wie geplant bei AMI beginnen.     

Dass er zu Beginn rein gar nichts über Elektronik wusste, machte nichts, denn er habe hier alles Relevante gelernt, erzählt Gheorghe. Besonders positiv an der Ausbildung im BFW sei, dass es nach der Theorie sofort in die Praxis gehe. Man könne das Erlernte sofort anwenden und umsetzen. Und: „Man kann hier alles fragen und bekommt zu jeder Frage eine Antwort. Das ist toll“, so Gheorghe anerkennend.

Besondere Karrierepläne oder -wünsche hat Gheorghe Gabriel nicht. Er will bei AMI erst einmal alles in Ruhe auf sich zukommen lassen. Auf die Frage, was er jemanden raten würde, der heute in einer ähnlichen, gesundheitlich schwierigen Situation ist wie er vor seinem Neubeginn beim BFW, antwortet er prompt: „Dass er nicht lange überlegen, sondern hier sofort anfangen soll“ und lacht sichtlich entspannt. Hätte er vorher gewusst, was das BFW möglich macht, hätte er hier viel früher angefangen. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es so schnell und so einfach gehen kann, einen ganz anderen Beruf von Grund auf neu zu lernen“, sagt er nachdenklich. Jetzt beeinträchtigen ihn auch keine körperlichen Beschwerden mehr, weil er eine überwiegend sitzende Tätigkeit ausübt. Er weiß, dass er jetzt – als fertiger Industrieelektriker – ein gefragter Mann ist.

* Die Modulare personalisierte Individual-Teil-Qualifizierung (MPI) dauert 12 Monate und endet nicht mit einem IHK-Abschluss.