Begleitung in die Arbeitswelt als Arbeitspädagoge

Wenn er quer über den großen Campus zu seinem Büro läuft, grüßt er alle Jugendlichen, die ihm begegnen, freundlich. Und die freuen sich sichtlich über seinen Gruß und die Begegnung. „Vielleicht hätte ich mir damals als Jugendlicher auch genau so jemanden an meiner Seite gewünscht“, sagt David Bär (36). Er ist Leiter der Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB) im KJF Berufsbildungs- und Jugendhilfezentrum Sankt Nikolaus im schwäbischen Dürrlauingen. „Ich begleite Jugendliche auf ihren ersten Schritten in die Arbeitswelt.“

Mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen kommt Bär im Berufsalltag gut zurecht: „Ich bin wirklich viel in Bewegung“, sagt er. „Mein Schrittzähler registriert an einem gewöhnlichen Arbeitstag um die zehn Kilometer.“ Er leidet an einem chronischen Schmerzsyndrom, das während seiner langjährigen Tätigkeit als Berufskraftfahrer entstanden war. Bärs Körper forderte Tribut infolge des langen Sitzens und schweren Be- und Entladens des LKWs. Mit konstanten Schmerzen in Rücken und Beinen konnte er seinen Beruf nicht länger ausüben.

Während eines mehrmonatigen Aufenthalts in einer Schmerzklinik wurde ihm vom Sozialdienst zur beruflichen Rehabilitation geraten. Die Agentur für Arbeit bewilligte dem damals 32-Jährigen „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“. Bär wusste sofort, dass er diese nächste – seine dritte – Berufsausbildung im sozialen Bereich anvisieren wollte: „Nach dem Schulabschluss hatte ich schon einmal den Gedanken, Erzieher zu lernen“, erinnert er sich. Er entschied sich allerdings anders und absolvierte zunächst eine Berufsausbildung zum Anlagenmechaniker und später die zum Berufskraftfahrer.

Den Beruf „Arbeitspädagoge“ erlernte Bär im Berufsförder­ungswerk (BFW) München. Der aus Waldstetten im Landkreis Günzburg stammende Schwabe zog dafür ins Kirchseeoner Internat. „Ich bin meiner Frau wirklich unendlich dankbar für all ihre Unterstützung. Ohne sie hätte ich es nicht durch die schwere Zeit geschafft“, so Bär. Zwar sei es seine Familie bereits gewohnt gewesen, dass der Vater von drei Töchtern aufgrund seines Berufs nicht jeden Abend zuhause war. Die Umschulung aber sei ein „wahrer Kraftakt“ gewesen: „Ich versuchte wirklich alles, um am Wochenende meinen Rollen als Papa, Ehemann und Freund gerecht zu werden.“

Im BFW startete Bär im September 2018 mit einem dreimonatigen Reha-Vorbereitungslehrgang. So konnte er seine Schulkenntnisse auffrischen und sich in die Ausbildungsstruktur einfinden. Zum Ausgleich ging er gerne ins hauseigene Fitness­studio und nahm wenn nötig Physiotherapie in Anspruch. Inhaltlich habe ihm wirklich alles sehr gut gefallen. „Ich bin zum ersten Mal gerne in die Schule gegangen“, schwärmt er. „Weil es einfach genau der richtige Beruf für mich ist.“ 

Drei der vier mehrwöchigen externen Praktika während der 18-monatigen Ausbildung hatte Bär in Sankt Nikolaus abgeleistet. Als frisch gebackener Absolvent übernahm er im Juli 2020 direkt die Position des Leiters der BvB. Die elfmonatige Maßnahme bereitet junge Menschen mit besonderem Förder­bedarf auf eine Ausbildung in einem Berufsbildungswerk oder einem Betrieb vor, Ziel ist also die Ausbildungsreife.

Derzeit betreut Bär mit seinem Team etwa 20 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen ca. 15 und 21 Jahren. „Sie kommen mit unterschiedlichen Hintergründen“, erklärt er. „Manche haben Lern- oder Entwicklungsverzögerungen, wohnen aber im intakten Elternhaus. Andere kommen aus schwierigen und sozial benachteiligten Umständen. Wieder andere kämpfen selbst mit Drogen- oder Alkoholproblemen.“ Die kleine Klassengröße gewährleiste personenzentriertes Arbeiten. „Mein Ziel ist es, die Teilnehmenden ganz individuell zu begleiten und ihre Persönlichkeitsentwicklung zu fördern. Sie sollen positive Erfolgserlebnisse erfahren und sich bei uns wohlfühlen.“

Während der Maßnahme lernen sie verschiedene primär handwerklich und praktisch orientierte Berufsfelder wie z. B. Hauswirtschaft, Metall oder Holz kennen und legen damit die Basis für eine gute Berufswahl. „Es ist mir ganz wichtig, dass mich die Teilnehmenden nicht als Lehrer, sondern vielmehr als Begleiter sehen“, so Bär. Er unterrichtet Sozial- und Medien­kompetenz sowie Sport. „Beziehungsarbeit ist für mich das A und O.“ Zugleich ist Bär aber auch fester Ansprechpartner für die Arbeitsagenturen als Kostenträger.

Über die Fensterfront seines Büros hat Bär den Campus von Sankt Nikolaus mit Berufs- und Förderschule, Wohnheim und Berufsbildungswerk im Blick. Er genießt die Aussicht und sagt: „Mein neuer Beruf ist für mich mehr als ein Job. Er macht mich echt glücklich. Ich bin Arbeitspädagoge aus Leidenschaft.“